Drogenkonsum als begründete Handlung

Eine partizipative Studie zu den Gründen für problematischen Drogenkonsum, subjektiven Drogentheorien und ihrer Vermitteltheit mit den Lebensbedingungen der Betroffenen

Vandreier, Christoph

(Studien zur qualitativen Drogenforschung und akzeptierenden Drogenarbeit; Bd. 48)


Problematischer Drogenkonsum wird nach wie vor häufig als "Krankheit" oder "Sucht" aufgefasst, deren Ursachen vor allem im einzelnen Individuum zu suchen sind. Der Autor entwirft demgegenüber ein Verständnis von Drogenkonsum als begründeter Handlung. Damit wird der Blick weg von individuellen Defiziten auf die problematischen Bedingungen gelenkt, die dem Konsum zugrunde liegen.
In fünf Portraits nähert sich der Autor den Lebensbedingungen der Betroffenen und zeigt, wie sie mit dem Konsum von Drogen verknüpft sind. Dabei werden problematische gesellschaftliche Strukturen herausgearbeitet, in denen der Gebrauch psychoaktiver Substanzen verständlich und sinnvoll erscheinen kann. Der veränderte Blick auf die eigene Problemlage wird ebenso beschrieben, wie alternative Umgangsweisen.
Einzigartig im Bereich der Drogenarbeit ist die enge Zusammenarbeit mit den Betroffenen bei der Erstellung der Portraits. Indem sie in alle Schritte der Arbeit eingebunden waren, sie kritisieren und verändern konnten, entstand ein authentisches und sensibles Bild ihrer Probleme, das auch gleich wieder in der Praxis erprobt werden konnte. Das Ergebnis ist nicht nur eine lohnende Lektüre für alle professionellen Drogenhelfer, sondern kann auch Betroffenen und Angehörigen neue Perspektiven eröffnen.

"In den fallbezogenen Kapiteln entstehen beeindruckende Portraits der betreffenden Menschen, deren jeweilige Lebensläufe und Erfahrungen in ihrer Individualität tatsächlich gleichzeitig gesellschaftliche Strukturmomente repräsentieren. Indem die Arbeit u.a. als entwü,rdigend empfundene Erfahrungen mit dem Drogenhilfesystem nachzeichnet, ist sie nicht nur eine theoretische, sondern auch empirisch-praktische Kritik an entsprechenden Denkweisen und Praxen." Prof. Dr. Morus Markard

Christoph Vandreier ist Gründungsvorsitzender des Subjektorientierte Drogenhilfe e.V. und arbeitete in verschiedenen abstinenz- wie akzeptanzorientierten Projekten der Drogenhilfe. 2012 promovierte er an der FU Berlin zum Thema "Drogenkonsum als begründete Handlung". Weitere Forschungsschwerpunkte sind qualitative und partizipative Methoden.

Inhalt:

Vorwort
Einleitung
I. Theoretische Grundlagen
1. Annäherung an das Phänomen des Gebrauchs psychoaktiver Substanzen
2. Genese und Probleme des Drogenhilfesystems
2.1 Die Entwicklung des Drogenhilfesystems in Deutschland
2.2 Akzeptanzorientierte Drogenarbeit
2.3 Veränderungen der letzten Jahre
2.4 Relevanz in der Praxis
3. Drogenkonsum als begründete Handlung – der subjektwissenschaftliche Zugang
3.1 Die subjektwissenschaftlichen Kategorien
3.2 Bedeutung der Kategorien für eine subjektorientierte Drogenforschung
3.3 Erste Versuche einzeltheoretischer Arbeit auf der Grundlage der Subjektwissenschaft
3.4 Missverständnisse
II. Methodisches Vorgehen
1. Fragen an die Forschung
2. Stand der Forschung
3. Anforderungen einer Forschung vom Standpunkt des Subjekts
4. Die Selbsthilfe- und Forschungsgruppe
4.1 Ziel und Konzept
4.2 Ablauf der Treffen
4.3 Forschung
4.4 Die Organisation der Daten und ihre strukturelle Verallgemeinerung
4.4.1 Die klassische Entwicklungsfigur
4.4.2 Weiterentwicklung der Entwicklungsfigur
5. Spezifizierung der Methoden im Forschungsprozess
5.1 Probleme, die im Forschungsprozess auftraten
5.1.1 Das Verhältnis von Forschern und Mitforschern
5.1.2 Qualifizierung zu Mitforschern und kommunikative Validierung der Daten
5.1.3 Entwicklungsfigur als Analyseinstrument
5.2 Lösung der Probleme
5.2.1 Die Arbeit mit den Dossiers
5.2.2 Schwierigkeiten bei der Entwicklung der Dossiers
5.2.3 Vom Dossier zum Kapitel
III. Empirische Analyse
1. Die Datenbasis
1.1 Formale Auswertung der Sitzungen im Erhebungszeitraum
1.2 Die Arbeit an den Dossiers nach dem Erhebungszeitraum
1.3 Umgang mit den Datenquellen
2. Darstellung und Analyse der Fälle
2.1 Institutionelle Probleme in der Selbsthilfe- und Forschungsgruppe
2.2 Sabina – Stigmatisierung
2.2.1 Datenbasis
2.2.2 Erster Eindruck
2.2.3 Biografie
2.2.4 Gründe für den Konsum und das Aufhören
2.2.5 Stigmatisierung
2.2.6 Entgiftung und Therapie
2.2.7 Substitution
2.2.8 Was hat geholfen, die Situation zu stabilisieren?
2.2.9 Typische Strukturen: Stigmatisierung, Therapie und Substitution
Stigmatisierung
Therapie
Substitution
2.3 Elvis – Subjektivierung
2.3.1 Datenbasis
2.3.2 Erster Eindruck
2.3.3 Biografie
2.3.4 Familie und soziale Kontakte
2.3.5 Entwicklung der Erwerbstätigkeit
2.3.6 Entwicklung des Konsums
2.3.7 Gründe für den Konsum
Leidenschaft und Sinn
Völlige Freiheit in der Gegenwart
Ausgleich gegenüber Arbeit
Steigerung der Produktivität
2.3.8 Gründe für das Aufhören
2.3.9 Das Dilemma
2.3.10 Hilfsangebote
2.3.11 Typische Strukturen: Subjektivierung von Arbeit
2.4 Prekarisierung
2.4.1 Datenbasis
2.4.2 Erfahrungen in der Selbsthilfe- und Forschungsgruppe
2.4.3 Typische Strukturen: Prekarisierung und Hartz IV
2.4.4 Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten
2.5 David
2.5.1 Datenbasis
2.5.2 Erster Eindruck
2.5.3 Biografie
Anmerkungen
2.5.4 Arbeit und Finanzen
Diplomarbeit
Aktuelle Tätigkeit
Anmerkungen
2.5.5 Familie und soziale Kontakte
Tod des Bruders
Schuldfrage und Familiendynamik
Verhältnis zur Mutter
Verhältnis zum kleinen Bruder
2.5.6 Ziele und Probleme
Körperliche Probleme
Anmerkungen
2.5.7 Positives und Ressourcen
2.5.8 Entwicklung des Drogenkonsums
Cannabis und Alkohol (16 Jahre)
Heroin und andere Drogen (19 Jahre)
Drogen nach der Therapie
Drogen während des Studiums
Erneuter Opiat- und Alkoholkonsum nach dem Koma
Theorien und Überlegungen zu Sucht und Drogen
Anmerkungen
2.5.9 Gründe für den Konsum
2.5.10 Gründe für das Aufhören
Anmerkungen
2.5.11 Problemrelevante Theorien
Anspruch und Versagen
Persönlichkeitszuschreibungen
Anmerkungen
2.5.12 Erfahrungen mit anderen Hilfeeinrichtungen
Anmerkungen
2.5.13 Lösungsansätze
Anmerkungen
2.5.14 Wie hat die Selbsthilfe- und Forschungsgruppe bisher geholfen?
2.5.15 Zusammenfassung
2.6 Yunis
2.6.1 Datenbasis
2.6.2 Erster Eindruck
2.6.3 Biografie
Anmerkungen
2.6.4 Arbeit und Finanzen
Jobs in Berlin
Fachabitur (31–33)
MAE Küche in einer Kita (37)
MAE Kantine in einer öffentlichen Einrichtung (37-40)
Job in Restaurant als Küchenhilfe (40-41)
Umschulung zum Koch (41)
Praktikum in einem Restaurant (41)
Zurück in der Umschulung
Umschulung in neuem Betrieb
Momentane Situation
Zukunftsaussichten
Überlegungen und Theorien zu Arbeit
Ziele und Ansprüche an eine Arbeit
Anmerkungen
2.6.5 Familie und soziale Beziehungen
Familie
Freunde
Sonstige soziale Beziehungen und Probleme
Überlegungen und Theorien zu Freundschaft und sozialen Kontakten
Anmerkungen
2.6.6 Probleme und Ziele
Anmerkungen
2.6.7 Entwicklung des Drogenkonsums
Erstes Aufhören
Zweites Aufhören
Nach der Entgiftung
Theorien und Überlegungen zur Entwicklung des Drogenkonsums
2.6.8 Gründe für den Konsum
2.6.9 Gründe für das Aufhören
Anmerkungen
2.6.10 Problemrelevante Theorien
Individualisierung – sich selbst die Schuld geben
Hohe Ansprüche an sich selbst statt Bedürfnisse zu formulieren
Einschätzung der Rolle des Alkohols
Kindheit als Erklärung für Passivität und Bedürfnislosigkeit
Anmerkungen
2.6.11 Erfahrungen mit anderen Hilfeeinrichtungen
2.6.12 Wie hat die Selbsthilfe- und Forschungsgruppe bisher geholfen?
2.6.13 Zusammenfassung
3. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
Literatur
IV. Anhang
1. Dossier Sabina
2. Dossier Elvis
3. Liste der Tags zur Kodierung der Transkripte


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