(Studien zur Theorie der Biologie Band 5)
Traditionell hat die Morphologie einen entscheidenden Anteil an der Entwicklung evolutionsbiologischer Fragestellungen gehabt. Angesichts neuer molekularbiologischer Techniken scheint dem heute nicht mehr so zu sein. An dieser Lage sind morphologische Ansätze nicht ganz unschuldig, denn bereits unter den klassischen Morphologien gibt es mehrere unterschiedliche und miteinander konkurrierende Vorgehensweisen zur Erforschung von Evolution. Darüber hinaus wird im allgemeinen auch das Verhältnis zwischen der Morphologie und der Evolutionstheorie Darwins ausgesprochen kritisch beurteilt. Moderne morphologische Ansätze greifen diese Kritik auf und versuchen ihrerseits, nicht-darwinistische Evolutionstheorien auf morphologischer Grundlage zu entwickeln. Dies setzt aber voraus, dass hinreichend geklärt ist, was eigentlich unter einem morphologischen Beitrag zu einer an Darwin orientierten Evolutionsforschung zu verstehen ist und welche Methoden dabei angewendet werden müssen. Im vorliegenden Buch werden fünf klassische und neuere morphologische Ansätze in ihren Methoden rekonstruiert und hinsichtlich möglicher Beiträge zu Fragen der Evolutionsbiologie miteinander verglichen. Darüber hinaus wird auch ihr prekäres Verhältnis zur Darwinschen Evolutionstheorie und den Vergleichenden Anatomien des 19. Jahrhunderts an ausgewählten Beispielen einer erneuten Untersuchung unterzogen. Die Relevanz, die Darwin selbst morphologischen Methoden innerhalb seiner Evolutionstheorie zubilligte, wird vielfach falsch eingeschätzt und nur verkürzt wiedergegeben. Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Buch Grundzüge einer morphologischen Methodik formuliert, die sich an der Evolutionstheorie Darwins orientiert, aber die von Darwin belassenen methodischen Lücken füllt.
Christine Hertler, geb. 1964, studierte Zoologie, Anthropologie und Psychologie in Frankfurt und arbeitete seit 1995 in der Sektion Vergleichende und funktionelle Anatomie, seit 1998 in der Abteilung Paläoanthropologie und Quartärforschung des Forschungsinstitutes Senckenberg in Frankfurt am Main. Sie beschäftigt sich derzeit mit den methodischen Grundlagen und der Geschichte der Morphologie, der Paläoanthropologie, der Evolutionsbiologie und weiteren biologischen Forschungsfeldern.